Liebe der Natur und der Gegenwart zugewandte Hafenfreunde,

ich begrüße Euch in unserem brandneuen Washitsu (= ein stilecht japanischer Raum mit Tatami-Matten), in dem wir uns einer besonderen Poesie-Gattung hingeben können: Dem Haiku!

Tatsächlich greife ich mit diesem Thema eine uralte FH-Tradition auf, denn einige von uns haben sich schon vor über zehn Jahren zusammengefunden, um (in unserem damaligen Vorgängerforum) gemeinsam Haikus zu schreiben. Umso mehr freue ich mich darauf, diese Tradition nun mit teils alter, teils neuer Hafenbesatzung fortzuführen.

Kurze Einführung/Auffrischung zum Thema Haiku (俳句):

• Es handelt sich dabei um eine aus Japan stammende Form des Kurzgedichts
  
• Ein Haiku besteht (zumindest klassischerweise) aus drei Versen/Zeilen, die die folgende Anzahl an Silben haben: 5 – 7 – 5
  
• Haikus sollen sich möglichst auf die Gegenwart beziehen und eine gewisse Konkretheit besitzen; intensive Gefühlsäußerungen sind darin nicht üblich. Vielmehr soll sich das emotionale Erleben des Lesers aus den beschriebenen Tatsächlichkeiten ergeben.
  
• Haikus behandeln oft die Natur. Häufig spielen Jahreszeiten eine Rolle. (Kein Muss.)
  
• Mit dem Lesen des Haikus soll dieses noch nicht zu Ende sein: Ein Nachhall, etwas Ungesagtes sollte beim Leser verbleiben.
  

Ich denke, es ist im Sinne der Kreativität und Freude an diesem Thema, dass wir einen Mittelweg zwischen Regelstrenge und Freiheit wählen. Daher schlage ich vor, dass alle Haikus dem 5-7-5-Muster folgen, aber nicht zwangsläufig immer Konkretes aus der Natur behandelt werden muss.

Würde mich auf jeden Fall freuen, wenn Ihr Lust habt, an dieser Stelle mit mir der fernöstlich inspirierten Lyrik zu frönen! 

Ein erster, spätnächtlicher Beitrag...

Hartes Morgengrau —
arbeitsamer Eulenmann
schließt die Jalousie

"Lazy afternoon"
macht sich bemerkbar durchs Glas -
draußen, wo schweißlos...

P.S. (late edit): Echt schon "zehn Jahre" her? Wenig hält länger als eine poetische Foren-Chronologie der reisenden Lounge-Echsen & HafenbärInnen...

(Weiterer Versuch...)

  Vor Wochen-Beginn
  ein Moment der Ruhe - dann:
  Klirrendes Besteck!

(Im Japanischen könnte man jetzt bestimmt in der letzten Zeile wenig-silbig andeuten, dass es sich um Besteck des langsam schließenden Lieblings-Restaurants handelt! )

(Darf man auch auf l' Anglais?)

  Long longed-for deluge
  slows splash-by cars audibly -
  once, a thunder-CLAP!

Aber hallo darf man das...gefällt mir gut!  Vor allem mag ich das onomatopoetische "CLAP!" am Ende.

Hier meine lyrische Antwort...:

SPLASH! into the blue,
and green and white and turqoise;
watery escape.

(Ich schlage vor, etwas engl.-poetische Lizenz: Das 3.-letzte "e" in der letzten Zeile mit einem Apostroph ersetzen. Würde jeder Shakespeare-Liebhaber anerkennen! -- BTW, durch dein antwortendes Haiku, sogar in einem geographisch wahrscheinlich entfernteren Ort, haben wir gerade mal wieder, fast wie japanische Fürsten von jeher, einen haikai-no-renga gestartet... (Also eine jap.-poetische "Q&A"-Kette!) Glaub ich zumindest...) )

(Irgendwie steht der schöne Raum - s. oben - auf Dauer geisterhaft verlassen; statt Haikus höre ich eher Kai-Huhus? Hier meine spontane Antwort...)


  Gingko-Baum im Hof
  geht langsam Winter-Schlafen;
  mein' Netsui schneller...

Dingdong, Plingdiplong,
Postfach sprudelt, lauter Mails –
Ahhh... endlich Nachtzeit! 

(oder: Warum Zweitnormalität so sexy ist, ein Kurzgedicht)

( )

Auf hai'n Neues?

  Dunkler Frühstücksraum,
  die Arbeitsleut' beugen sich,
  Grieß-Schalen ehrend!


 (°`" >)
 

Neujahrsböllerrauch –
er hat sich kaum gelüftet;
Arbeitsstress schon groß.  

(Tut mir nat. Leid! Immer gleich ins tiefe Ende... Ich darf trotzdem ein Reglement von dir zitieren? (S. Erstpost, oben.) "Gefühlsäußerungen sind darin nicht üblich"... Diese introvertierten JapanerInnen eben. Wenn du willst, überleg ich mir auch eine alternative letzte Zeile...)

Das stimmt...! So sind wir vielleicht auf der sicheren Seite:

Neujahrsböllerrauch –
er hat sich kaum gelüftet;
Wochenplan schon voll.

Nochemo...

  Gefangen in Lücken
  grauer Himmel und Herren...
  Fernzeitrohr verlegt!

....,/´´

Ventilatorwind
wälzt die zähe Juliluft
Blitz am Horizont

(Ein kleines Haiku, getrieben von der Sehnsucht nach Regenregenregen...)